Lusitanos „Nervenstarke Kämpfer“

Iberische Pferde kommen nicht nur aus Spanien! Auch wenn sie auf gemeinsame Wurzeln zurückblicken, sind die reinblütigen portugiesischen Lusitanos (Puro-Sangue Lusitano) seit Trennung der Stutbücher 1967 eine eigenständige Rasse. Vorher war es egal, zu welcher Seite der Grenze ein Pferd aufgewachsen war- es galt einfach als „Iberer“. Es dauerte lange, bis der Lusitano nicht nur aus dem Schatten der Vergangenheit, sondern auch aus dem Schatten seines spanischen Bruders heraustreten konnte. Heute beeindruckt er seine Anhänger durch ihren wunderbaren Charakter, ihren Mut und Unerschrockenheit, ihre Leistungsfähigkeit und natürlich durch ihre spezielle Eignung für die klassische Reitkunst. 

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Das „Urpferd“ der Iberischen Halbinsel wurde 1920 im Gebiet zwischen den Flüssen Sôr und Raia „wieder entdeckt“. Diese unscheinbaren, mausgrauen Sorraias entsprechen wahrscheinlich genau dem Pferdetyp, der die Grundlage  erster menschlicher Zuchtversuche war. Ergebnis der Bemühungen war ein besonders wendiges, nervenstarkes Kriegspferd für den Nahkampf. Bereits in der Antike bewunderte man die iberischen Krieger aufgrund ihrer effektiven Kampftechnik. Ihre tollkühnen Jagden auf Wildrinder beeindruckten sogar Platon: „Der Brauch, den Stier vom Pferd aus zu bekämpfen ist einzigartig auf dieser Welt...“ Die überlegenen Pferde lehrten später auch die Römer das Fürchten. Sie lernten von den Iberern, übernahmen Rassetypus und Reitweise, kultivierten den Stierkampf zu Pferde und förderten die Pferdezucht auf breiter Basis. Auch unter den maurischen Besatzern entwickelte sich der Bestand weiter. Als die Maueren 1492 endgültig besiegt wurden, begann die Hochzeit der iberischen Pferdezucht, die in Portugal bis ins 19.Jahrhundert anhielt. Form und Funktion der Pferde blieben dabei unverändert: Eignung für die traditionelle Kampfreitweise, für Klassische Reitkunst und für den berittenen Stierkampf, der in Portugal nichts mit dem spanischen gemein hat.

 

Alle Beteiligten (auch der Stier!) verlassen lebend die Arena. Das farbenfrohe Spektakel, bei dem die Reitkunst im Mittelpunkt steht, wird nach genauen Regeln ausgetragen. Jahrelang trainierte Lektionen der Hohen Schule dienen dazu, den Stier zum Angriff zu provozieren. Die Unversehrtheit von Reiter und Pferd hängt stets am Geschick des jeweiligen Partners. Ein gutes Stierkampfpferd muss gehorsam, geduldig und durch nichts zu beeindrucken sein. Es braucht jede Menge Persönlichkeit, die Fähigkeit, sich zu konzentrieren, muss energisch, beweglich, wendig, einfühlsam und schnell sein. Damit definiert sich das Zuchtziel dieser portugiesischen Pferde und deshalb sind Lusitanos auch „anders“ als die anderen Barockrassen: Vielfach beweglicher und reaktionsschneller vermittelt ihre runde Erscheinungsform den Eindruck eines elastischen Gummiballes, der sich zu jedem Zeitpunkt in alle Richtungen hin bewegen kann.

 

Selbst bei extremen Seitwärtsbewegungen ermöglicht eine spezielle Skelettwinkelung besonders hohe und gleichzeitig raumgreifende Bewegungen- wichtig bei Ausweichmanövern. Lange, schräge Fesseln wirken dabei wie Stoßdämpfer und vermitteln dem Reiter trotz aller Mobilität ein angenehmes Sitzgefühl.

 

Die Schnellkraft der Lusitanos macht sie auch zu passablen Springpferden. Tatsächlich belegte der Hengst Novilhero unter John Whitaker einmal Platz 12 der Weltrangliste, während Felix Brasseur 1994 die Mannschaftssilbermedalie bei der Fahrer WM mit einem Lusitanovierspänner errang. Er hatte die Pferde sechs Monate vorher zum ersten Mal gesehen und war überzeugt davon, dass er mit keiner anderen Rasse in derart kurzer Zeit diesen Ausbildungsstand erreicht hätte. Ein Jahr später gewannen die Lusitanos dann die Vierspänner- WM in Belgien.