Lipizzaner "Weiße Pferde in grüner Oase"
Ohne die weltberühmten Lipizzanerschimmel, denen der kleine slowenische Ort Lipica seinen Namen gab, wäre der einstige Sommersitz der Triester Bischöfe wohl im Dunkel der Geschichte verschwunden. Auch wenn die Region rund um das Dorf schon immer mit einigen klimatischen und landschaftlichen Besonderheiten aufwarten konnte, so wurden diese natürlichen Vorzüge vom Menschen speziell für die Pferdezucht seit über 400 Jahren systematisch ausgebaut und gepflegt. Nach den Türkenkriegen, die Lipica völlig verwüsteten, gelang es dem österreichischen Erzherzog Karl II. 1580, das Gut den Triester Bischöfen abzukaufen. Auch die österreichische Monarchie benötigte nach der Erfindung des Schießpulvers anstelle der schweren, gepanzerten Schlachtrösser schnelle, wendige Reitpferde für die Kavallerie. Die bisher gebräuchlichen, äußerst repräsentativen, spanischen Pferde waren selbst für gekrönte Häupter nahezu unerschwinglich geworden und man sah sich gezwungen, einen Ersatz zu finden. Der karge Karst ähnelte dem Gebiet in Andalusien, das bisher die besten und edelsten Rösser an die Königshäuser in ganz Europa geliefert hatte. Lipica schien trotz seiner fernen Lage zur den österreichischen Machtzentren ein idealer Ort für eine eigene Pferdezucht des Herrscherhauses zu sein.
Mit neun spanischen Hengsten und einheimische Karststuten begann die planmäßige Zucht der Lipizzaner. Seine Blütezeit hatte Lipica während der Regierung Kaiser Karls VI. (1711-1740) und seiner Tochter Maria Theresia (1740-1780). Die Rasse hatte sich konsolidiert und der Lipizzaner entsprach mit seinen kompakten, rundlichen Formen und konvex gebogenen Nasenrücken dem barocken Zeitgeschmack. Die Zahl der Zuchtstuten stieg auf 150 an.
Fünf Stempelhengste bildeten die klassischen Linien:
- „Pluto“ vom dänischen Gestüt Frederiksborg begründete kräftige Pferde mit
nur leichter Ramsnase
- Der braune „Neapolitano“ und der Rappe „Conversano“, beide Nachfahren der schweren, italienischen Neapolitanos haben erhabene Gänge sowie schwere, deutlich ausgeprägte Ramsköpfe
- Kladruber „Maestoso“ zeugte Pferde mit langem Rücken und kräftiger Kruppe
- Nachkommen des Falben „Favory“, ebenfalls ein Kladruber, weisen einen feineren Körperbau auf
- Araber „Siglavy“ begründete zu Beginn des 19. Jahrhunderts die sechste Linie. Ihr fehlt die betont hohe Aktion, die Kopfform ist gerade, der Rücken kürzer bei höherem Widerrist.
1735 wurden im neu errichteten Bau der Spanischen Hofreitschule in Wien neben den spanischen Pferden erstmals Lipizzaner vorgestellt - eine große Anerkennung für das Gestüt und eine Herausforderung zugleich. Hatte man bisher überwiegend Prunk- und Paradepferde für Adel, Kavallerie und den Hof geliefert, so sollte der Lipizzaner auf einmal den anspruchsvollen und speziellen Erfordernissen der Spanischen Hofreitschule gerecht werden. Nur besonders talentierte, dreijährige Hengste kamen nach Wien, zurück kehrten alte, in der Reitschule bewährte Hengste, von denen man zweifelsfrei annehmen konnte, dass sie für hochwertigen, charakterlich einwandfreien Nachwuchs sorgen würden. Aus dieser Zeit stammt auch der Brauch, für nach Wien geschickte Pferde drei Bäume zu pflanzen. So entstanden im Laufe von 350 Jahren die großen Gestütsalleen. Heute bezieht die Reitschule ihre Hengste aus dem österreichischen Bundesgestüt Piber.
Lipica hatte immer wieder unter den Wirren kriegerischer Auseinandersetzungen zu leiden. Nach dem zweiten Weltkrieg kehrten 1947 nur elf Pferde in das fast völlig zerstörte Gestüt zurück. Heute hat sich der Bestand wieder gut erholt. Etwa 160 Zuchtpferde und Fohlen grasen momentan gemeinsam mit 40 Reitpferden im Schatten der 100- und 200-Jahre alten Steineichen. Jahr. Als besonderes "Qualitätsmerkmal" erhalten alle im Stammgestüt Lipica geborenen Lipizzaner ein "L" auf die linke Backenseite gebrannt. Bis ins letzte Jahrhundert gab es die Lipizzaner in allen Fellfarben, dann kamen die k. und k. Schimmel in Mode und die weiße, sich dominant vererbende Farbe wurde zum Rassemerkmal der Lipizzaner. Die wenigen dunklen Pferde sind absolute Raritäten und gelten als besonders wertvoll. Alle Schimmel kommen jedoch zunächst mit dunklem Fell zur Welt. Bei jedem Fellwechsel werden sie heller und sind dann zwischen sieben und zehn Jahren silberweiß. Auch wenn die Rasse als Dressurpferd schlechthin gilt, so bewährend sich Lipizzaner darüber hinaus überaus erfolgreich im internationalen Fahrsport. Die Ungarn holten mit den Kaiserschimmeln bereits mehrfach den Weltmeistertitel in ihr Land.